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Corina Gericke über Tierversuche

Wie kann ich Tierversuchs-Produkte boykottieren?

Wer vegan lebt, möchte nicht, dass für seine Produkte Tiere gequält, getötet oder sonst wie ausgebeutet wurden. Dazu zählen auch Tierversuche. Anders als bei der Ernährung ist jedoch ein vollständiger Boykott aller tiergetesteten Substanzen nicht möglich. Denn nicht nur Medikamente, auch alle Stoffe des täglichen Lebens, Farben, Kunststoffe, alles, mit dem der Mensch in irgendeiner Form in Berührung kommt, wurde schon an Tieren getestet. Alle Tierversuchs-Produkte zu boykottieren, ist nicht nur unmöglich, sondern auch sinnlos. Anders als bei der Ernährung würden auf diese Weise keine Tiere gerettet werden. Wir können die Tierversuche der Vergangenheit nicht rückgängig machen, wir können nur dafür sorgen, dass es in Zukunft keine mehr geben wird.

Einzig im Bereich der Kosmetik gibt es eine Wahlmöglichkeit. Allerdings gilt auch hier, dass es praktisch keine “tierversuchsfreien” Rohstoffe gibt. Die chemische Industrie testete selbst anerkannt ungiftige Substanzen, wie Jojobaöl oder Olivenöl. Im Grunde sind alle Inhaltsstoffe von kosmetischen Erzeugnissen irgendwann einmal im Tierversuch auf ihre Giftigkeit hin untersucht worden. Insofern kann eigentlich nicht von „tierversuchsfreien“ Produkten gesprochen werden.

Wichtigstes Kriterium bei der Vergabe von Siegeln ist daher das Datum, ab dem für die Inhaltsstoffe keine Tierversuche mehr gemacht worden sein dürfen. Dieses variiert bei den einzelnen, im Umlauf befindlichen Kosmetik-Listen. Auch gibt es Unterschiede hinsichtlich der Kontrolle. Eine Liste, die sich lediglich auf die Informationen der Hersteller verlässt, ist weniger vertrauenswürdig als durch unabhängige Instanzen kontrollierte Angaben.

Auch wenn es „Tierversuchsfreiheit“ im Kosmetikbereich nicht gibt, gilt generell: Mit der Unterstützung von Firmen, die sich zu einer tierversuchsfreien, veganen Firmenpolitik bekennen, zeigt man den großen, Tierversuche durchführenden Konzerne die rote Karte. Außerdem tut man nicht nur den Tieren einen Gefallen, sondern auch sich selbst. Die verwendeten Inhaltsstoffe sind allesamt seit Jahrzehnten auf dem Markt, d.h. mögliche schädliche Nebenwirkungen hätten sich schon längst beim Menschen gezeigt. Die Verwendung solcher Mittel ist also nicht nur tierfreundlich, sondern auch gesundheitlich unbedenklich.

Dabei ist zu beachten, dass „ohne Tierversuche“ nicht automatisch auch vegan heißt. In den beiden folgenden Listen sind Firmen, die ausschließlich vegane Produkte anbieten, entsprechend gekennzeichnet.

  • In der Positiv-Liste des Deutschen Tierschutzbundes sind Firmen aufgeführt, die keine Tierversuche durchführen und nur Inhaltsstoffe verwenden, die seit 1979 nicht mehr im Tierversuch getestet wurden. Die Hersteller auf der Liste werden regelmäßig auf die Einhaltung der strengen Regeln von unabhängigen Kontrollfirmen überprüft.
  • Der Humane Cosmetic Standard (HCS) ist ein in Europa und den USA verbreitetes Siegel der European Coalition to End Animal Experiments (ECEAE). Weder Inhaltsstoffe noch Endprodukte dürfen ab einem vom Hersteller festgelegten, fixen Stichtag in Tierversuchen getestet worden sein. Die Angaben der Firmen werden durch unabhängige Kontrollinstanzen regelmäßig überprüft.

Sind Tierversuche in der Kosmetik nicht verboten?

Obwohl Tierversuche für Kosmetika und Waschmittel in Deutschland und der EU verboten sind, müssen immer noch unzählige Tiere für Lippenstift und Hautcreme leiden und sterben. Die Verbote gelten nämlich nur für die Endprodukte sowie für Inhaltsstoffe, die ausschließlich in Kosmetika Verwendung finden. Dies trifft aber auf nur etwa 10 % der Stoffe zu. Der größte Teil der Substanzen wird nach den Vorgaben des Chemikaliengesetzes an Tieren getestet, weil er auch bei der Herstellung chemischer Produkte oder Materialien verwendet wird.

Die Kosmetik-Tierversuche ließen sich leicht vermeiden, indem auf altbewährte Stoffe, von denen es bereits Tausende gibt, zurückgegriffen würde. Doch der Industrie geht es darum, Modetrends zu folgen oder den Konsumenten mit vorgeblichen Neuheiten zu locken: Die neuen Sommerfarben der Lidschatten-Kollektion, das Shampoo mit der garantierten Anti-Schuppenformel oder das ultrafeste Haargel erhöhen den Absatz. Für das Profitstreben der Konzerne werden also immer neue Kosmetika und Körperpflegemittel auf den Markt gebracht; Produkte, die niemand braucht und die unzählige Tiere mit ihrem Leben bezahlen müssen, denn die neuen Wirkstoffe werden in der Regel im Tierversuch getestet.

Als Grund für die Durchführung von Tierversuchen gibt die kosmetische Industrie die Verbrauchersicherheit an. Angeblich können nur Tierversuche die Unbedenklichkeit der Kosmetika garantieren und vor möglichen Schäden durch ein neues Produkt schützen. Doch hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Tierversuche niemals eine Gewähr dafür bieten, ein sicheres Produkt in den Händen zu halten. Tierversuche dienen nicht der Sicherheit des Verbrauchers – sie haben lediglich eine Alibifunktion.

Seit 1993 wurde versucht, auf Europaebene eine gesetzliche Regelung zu finden. Doch das längst überfällige Verbot der Kosmetik-Tierversuche und der Einfuhr tierversuchsgetesteter Kosmetika wurden wieder und wieder hinausgeschoben. Nach jahrelangem Tauziehen und harter Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit durch die Tierschutz- und Tierversuchsgegnerverbände trat die Kosmetikrichtlinie (Richtlinie 2003/15/EC) 2003 in Kraft. Ihr zufolge besteht seit 2004 ein EU-weites Verbot von Tierversuchen für kosmetische Fertigprodukte. Seit 2009 ist es verboten, an Tieren getestete Kosmetikprodukte und Rohstoffe in der EU zu verkaufen - mit Ausnahme von drei Tierversuchen (Giftigkeit bei wiederholter Gabe, Reproduktions-Giftigkeit (Giftigkeit für das ungeborene Leben), Toxikokinetik (Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechslung und Ausscheidung einer Substanz), die bis März 2013 noch durchgeführt werden dürfen. Dieser letzte Termin soll nach dem Willen der EU nun um zehn Jahre verschoben werden. Eine internationale Protestaktion gegen die drohende Verschiebung des Vermarktungsverbots von Tierversuchskosmetik gibt es hier: www.nocruelcosmetics.org

Muss ich auf Medikamente verzichten?

Wenn es bei Produkten des täglichen Lebens schon nicht machbar ist, Tierversuchs-Produkte zu boykottieren, so ist es bei medizinischen Produkten noch weniger möglich.

So gut wie alle Medikamente, Behandlungsmethoden, Operationstechniken usw. sind im Tierversuch getestet worden. Als Tierversuchsgegner muss man trotzdem nicht auf Medikamente und medizinische Versorgung verzichten, wie das ja oft von der Gegenseite verlangt wird. Bei der Ernährung, bei Kosmetika haben wir die Möglichkeit auf Tierqualprodukte zu verzichten, bei Medikamenten, Operationen und anderen medizinischen Maßnahmen haben wir diese Wahl kaum oder gar nicht.

Dass praktisch alle Medikamente an Tieren erprobt wurden, ist außerdem kein Argument dafür, dass es diese Medikamente ohne Tierversuche nicht gäbe und dass wir womöglich ohne Tierversuche alle an schrecklichen Krankheiten sterben würden, wie gern behauptet wird. Im Gegenteil, ohne Tierversuche wäre die Medizin schon viel weiter, denn Tierversuche halten, wegen der falschen Ergebnisse, die sie liefern, den medizinischen Fortschritt nur auf. Andere Methoden (z.B. im In-vitro-Bereich), klinische Forschung sowie Prävention von Krankheiten würden wahrscheinlich - wenn Tierversuche verboten wären - im Vordergrund stehen, was zu einer Verbesserung der Gesundheitslage führen würde.

Einige Tipps:

  • Die beste Medizin, um einem Großteil der Zivilisationskrankheiten vorzubeugen, ist eine gesunde, vegane Ernährung verbunden mit einem bewussten Lebensstil (Verzicht auf Suchtmittel, wenig Stress, Bewegung an frischer Luft usw.).
  • Für viele Bereiche gibt es sinnvolle und wirksame Alternativen zur Schulmedizin: Homöopathie, Akupunktur und andere naturheilkundliche Verfahren. Diese sollten Sie wo immer möglich bevorzugen.
  • Um die forschenden, tierexperimentell arbeitenden Pharmakonzerne möglichst nicht zu unterstützen, kann man auf so genannte Generika-Präparate zurückgreifen. Medikamente können nach Ablauf einer Patentfrist von 20 Jahren von anderen Firmen hergestellt werden. Diese Generika-Firmen (Firmen (z.B. Ratiopharm, Durachemie, Stada)) produzieren dann die Medikamente meist zu einem sehr viel günstigeren Preis. Wenn man auf diese Nachahmerpräparate ausweicht, hat man zwei Vorteile: man unterstützt die forschenden Firmen nicht und man verwendet Medikamente, deren Wirkungsweise seit langem gut bekannt ist. Unliebsame Überraschungen, wie schwere Nebenwirkungen, sind bei diesen also nicht so wahrscheinlich. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Generika früher im Tierversuch getestet worden sind. Auch sind Generika-Hersteller mitunter Tochterfirmen von forschenden Unternehmen, z.B. Hexal zu Novartis.
  • Ob Generika oder andere Medikamente vegan sind, ist im Einzelfall zu klären. Positiv-Listen gibt es dazu derzeit nicht.
  • Wenn (schul-)medizinische Behandlungsmethoden unumgänglich sind, sollten die Tierversuche, die zuvor für diese Produkte durchgeführt worden sind, nicht von der Einnahme abhalten. Es würde keinem einzigen Tier helfen, auf medizinische Maßnahmen zu verzichten.

Was geschehen ist, kann man nicht mehr rückgängig machen. Wir müssen in die Zukunft schauen und dafür sorgen, dass wenigstens in Zukunft die Forschung den richtigen Weg einschlägt, den Weg einer effektiven und patientenorientierten Medizin ohne Tierversuche.

Dr. med. vet. Corina Gericke
Ärzte gegen Tierversuche e.V.